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Eigenschaften von Spulen / Induktivitäten
 
   
 
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Inhalt:
Allgemeines
Spule und Gleichspannung
Spule an rechteckförmiger Spannung
Allgemeingültige Berechnung des Stromverlaufs
Spule an sinusförmiger Spannung
Leistungsaufnahme
 Weitere Themen:
Induktivität (Grundlagen)
Spulentypen
Anwendung in der Elektronik


Allgemeines

Nachfolgend wird beschrieben, wie sich eine Induktivität bei Gleich- und Wechselspannung verhält. Zum grundsätzlichen Verständnis sind keine mathematischen Kenntnisse erforderlich sondern einfach der gesunde Menschenverstand und das Wissen, wie eine  Spule aufgebaut ist und wie sie funktioniert. Lediglich zur Berechnung des Stromverlaufs bei sinusförmiger Spannung kommt man um etwas Mathematik leider nicht herum. Wer Abitur hat, sollte mit Kenntnissen, die man im Mathematik-Grundkurs in der Oberstufe erwirbt, der Berechnung leicht folgen können. Wer mit den Begriffen "Sinus" und "Ableitung einer Funktion" nicht viel anfangen kann, sollte großzügig über die Berechnungen hinwegsehen und einfach versuchen zu verstehen, wie es funktioniert. Denn man benötigt zwar mathematische Kenntnisse, um Berechnungen durchzuführen, aber man braucht diese nicht unbedingt, um die Zusammenhänge zu verstehen.


Induktivität und Gleichspannung

Um das Verhalten von Spulen bei Wechselspannung zu verstehen, muß man zuerst einmal verstehen, was beim Anlegen einer Gleichspannungsquelle passiert. Zeitlich passiert folgendes: In dem Moment, in dem man die Spannungsquelle mit der stromlosen Spule verbindet, wollen die Elektronen vom Pluspol der Spannungsquelle durch die Spule zum Minuspol fließen, da eine Spule in aller Regel einen niedrigen ohmschen Widerstand besitzt.


Bild 1: Induktivität an Gleichspannung

Aber schon das erste in diese Richtung fließende Elektron erzeugt ein kleines Magnetfeld in der Spule, das die anderen Elektronen hemmt, ihm zu folgen. Das Magnetfeld verhindert dabei nicht völlig, daß weitere Elektronen durch die Spule fließen, sondern verlangsamt lediglich diesen Prozeß. Durch diese Selbsthemmung kann der Strom nicht wie bei einem Kondensator schlagartig fließen, sondern er steigt bei einer idealen Induktivität mit einem bestimmten Gradienten linear mit der Zeit an. Diese Selbsthemmung nennt man Selbstinduktion, der man in Form der Induktivität der Spule einen Zahlenwert zuordnen kann. In der Theorie würde der Strom linear mit der Zeit steigen und könnte einen beliebig hohen Wert annehmen, aber in der Praxis wird er natürlich entweder nach kurzer Zeit entweder durch den ohmschen Widerstand der Spule oder aber durch das begrenzte Stromliefervermögen der Spannungsquelle limitiert.

Bei diesem Vorgang wird elektrische Energie in magnetische Energie umgewandelt. Man erhält sie zurück, wenn man die Spannungsquelle abtrennt und statt ihr gleichzeitig ein Lämpchen an die Spule anschließt. Das vorhandene Magnetfeld widersetzt sich nicht nur einer Stromzunahme sondern durch die Kraft auf die Elektronen auch einer Stromabnahme. Das Lämpchen leuchtet daher durch den vom Magnetfeld aufrecht erhaltenen Strom auf. Da das Magnetfeld bei Energieentnahme (Lämpchen!) mit der Zeit schwächer wird, wird auch der Strom immer geringer. Irgendwann ist das Magnetfeld Null, und die Spule ist wieder entladen.


Spule an rechteckförmiger Spannung

Jetzt aber zum Verhalten bei Wechselspannung. Die Gleichspannungsquelle aus obigem Versuch kann man als niederfrequente Wechselspannungsquelle verwenden, indem man über einen Wechselschalter die Polarität vertauscht. In Bild 1 ist eine hierfür geeignete Schaltung dargestellt.


Bild 2: Mechanische Wechselspannungserzeugung

Befindet sich der Schalter wie in Bild 2 in der oberen Stellung, ist der Pluspol der speisenden Batterie mit dem oberen Anschluß der Spule verbunden. Die mit dem Pluspol verbundenen Leitungen sind der Übersicht halber rot gezeichnet und die mit dem negativen Pol verbundenen blau.


Bild 3: Obere Schaltstellung

In der unteren Stellung werden die Leitungen zum Kondensator durch den Schalter vertauscht, d.h. der Pluspol der Batterie ist mit dem unteren Anschluß verbunden.


Bild 4: Untere Schaltstellung

Wenn man nun manuell hin- und herschaltet, erzeugt man am Ausgang des Schalters eine niederfrequente rechteckförmige Spannung, die einmal positiv und einmal negativ ist. Bei jedem Umschaltvorgang ändert sich die Stromrichtung abhängig von der Polarität der Spannung, die an der Spule anliegt. Es ergibt sich folgender Verlauf:


Bild 5: Spannungs- und Stromverlauf bei Rechteckspannung

Blau ist dabei der Spannungsverlauf direkt hinter dem Schalter dargestellt. Durch das Umschalten springt die Versorgungsspannung zwischen +UB und -UB entsprechend der Schaltstellung hin und her. Lediglich vor dem Anklemmen der Batterie ist die Spannung an der Spule Null. Der rot skizzierte Stromverlauf entspricht dabei dem Spulenstrom unter der Annahme, daß die ohmschen Widerstände gering sind und so schnell umgeschaltet wird, daß der Spulenstrom klein genug bleibt, so daß die Spule nicht in die Sättigung gerät. Beim ersten Einschalten steigt der Strom mit einer Steigung, die von der Betriebsspannung und der Induktivität der Spule abhängt. Beim folgenden Umschalten ist die Steigung doppelt so hoch, weil die Spannungsamplitude doppelt so hoch ist; es wird ja immer zwischen +UB und -UB umgeschaltet, was eine Amplitude an der Spule von 2 UB ergibt.

In der Praxis haben Spannungsquellen natürlich einen Innenwiderstand, Schaltkontakte haben Übergangswiderstände und elektrische Leitungen besitzen ebenfalls einen ohmschen Widerstand - genauso wie der Draht, aus dem die Spule gewickelt wurde. Genaugenommen ist das Schaltbild in Bild 2 nicht korrekt, weil es diese Widerstände nicht berücksichtigt. Genau betrachtet sieht die Schaltung so aus:


Bild 6: Schaltung mit realen Widerständen

Bei nicht zu hohem Spulenstrom ist die an diesen Widerständen auftretende Spannung allerdings so klein, daß sie keine Rolle spielt. Ist diese Voraussetzung nicht erfüllt, wirken sie wie eine Strombegrenzung, d.h. der Spulenstrom kann weniger stark ansteigen als ohne diese Widerstände. Damit sieht der Stromverlauf so aus:


Bild 7: Stromverlauf mit ohmschen Widerständen



Allgemeingültige Berechnung des Stromverlaufs

Wie wir oben gesehen haben, haben Rechteckspannungen einen im Idealfall dreieckförmigen Stromverlauf zur Folge. Wenn man die Frequenz bei gleichbleibender Spannungsamplitude erhöht, wird man feststellen, daß die Amplitude des Strom sinkt. Das ist leicht erklärbar: Der Strom steigt bzw. sinkt mit einem konstanden Gradienten. Bei einer höheren Frequenz ist die Zeit bis zum Umschalten der Polarität zwangsläufig geringer, weshalb der Stromanstieg bzw. -abfall früher als bei niedriger Frequenz beendet wird und damit die Stromamplitude geringer ist. Umgekehrt steigt sie, wenn man die Frequenz senkt. Den Stromgradienten kann man bei konstanter Spannung mathematisch sehr einfach berechnen. Die Formel lautet:


Diese Formel gilt für eine Spannung, die man zum Zeitpunkt t=0 an eine stromlose Spule anlegt und ab dann konstant hält. Da U/L eine Konstante ist, steigt der Strom linear mit der Zeit t an. Falls der Strom nicht Null war, muß man die Formel um den Startwert ergänzen:


Mit dieser Formel kann man den dreieckförmigen Strom im obigen Beispiel (d.h. ohne ohmsche Widerstände) berechnen. Beim ersten Anlegen der Spannung ist der initiale Strom Null, und der Strom durch die Spule steigt linear mit der Zeit an. Wenn man dann zu einem bestimmten Zeitpunkt die Spannung umpolt, hat der Spulenstrom einen bestimmten Wert erreicht, der der Startwert für den nächsten Zeitabschnitt ist, der wieder mit t=0 beginnt. Der Spulenstrom sinkt daher linear mit der Zeit, wird irgendwann negativ und fällt weiter, bis man erneut umschaltet.

Wie gesagt setzen diese Formeln eine konstante Spannung an der Spule voraus. In der Praxis ist die Spannung jedoch meistens nicht konstant sondern verändert ihren Wert über die Zeit. Mathematisch handelt es sich um eine zeitabhängige Funktion, also u(t). Um den Spulenstrom nach einer bestimmten Zeit zu berechnen, muß man gedanklich die Spannung u(t) in kleine Zeitabschnitte unterteilen und dabei annehmen, die Spannung sei in den jeweiligen Zeitabschnitten konstant. Dann kann man für jeden kleinen Zeitabschnitt obige Formel benutzen, um den Spulenstrom zu berechnen, wobei Io jeweils der vorangegangene Stromwert ist:


Bild 8: Punktweise Stromberechnung

Blau ist der tatsächliche Spannungsverlauf dargestellt und orange eine Annäherung mit in den einzelnen Zeitabschnitten konstanter Spannung. Wenn man bei Null anfängt und aufbauend auf dem jeweiligen Vorgängerwert des Stroms den neuen Stromwert berechnet, erhält man die rot dargestellten Strompunkte. Man erhält also keine durchgängige Kurve, sondern für jeden einzelnen Zeitabschnitt Δt nur einen einzigen Stromwert. Zwischen diesen Punkten ist der Stromwert unbekannt, da man ihn nicht berechnet hat. Zusätzlich sind die Stromwerte nicht ganz exakt, weil man den Mittelwert der Spannung (die orange treppenförmige Kurve) nur geschätzt hat. Wer mehr Zwischenwerte oder eine höhere Genauigkeit benötigt, muß kleinere Zeitabschnitte wählen. Mathematisch gesehen kann man dies auf die Spitze treiben und die Zeitabschnitte infinitesimal klein machen, wodurch man unendlich viele Strompunkte erhält, sodaß sich eine durchgängige Linie ergibt. Möglich wird dies durch die Methode der Integralrechnung. Die Formel, wie man aus einem Spannungsverlauf u(t) den Strom i(τ) mathematisch exakt berechnen kann, lautet:


Falls Sie sich über den griechischen Buchstaben τ ("tau") statt t wundern: Er wird deshalb benutzt, damit es nicht zu Verwechslungen kommt.

Das Schöne daran ist, daß man dank der Integralrechnung nicht unzählige Punkte berechnen muß und dann trotzdem nur einen Näherungswert bekommt. Vielmehr löst man einmalig das Integral durch Bestimmen der sogenannten Stammfunktion von u(t) und braucht in die sich so ergebende Gleichung dann nur noch den Wert von τ einzusetzen, um den Strom zum Zeitpunkt τ zu berechnen. Wie genau deren Stammfunktion U(t) aussieht, hängt natürlich von u(t) ab und kann daher nicht allgemeingültig angegeben werden. Wenn beispielsweise die Spannung einen konstanten Wert besitzt (also u(t) = U, lautet die Stammfunktion U(t) = U . t. Der Strom steigt also linear mit der Zeit an, wie wir schon oben gesehen haben.


Induktivität an sinusförmiger Spannung

Die Netzspannung ist sinusförmig, d.h. ihr Verlauf kann mathematisch mit einer Sinusfunktion beschrieben werden. Mit einem simplen sin(x), wie man es aus vielleicht aus der Schule kennt, ist es allerdings nicht getan, denn der Wert der Funktion sin(x) schwankt nur zwischen -1 und 1, ist dimensionslos und eine Funktion des Winkels. Die Netzspannung ist hingegen nicht dimensionslos, sondern besitzt die Einheit Volt und schwankt zwischen -325 V und +325 V. Das sind die Spitzenwerte; der weithin bekannte Wert 230 V (bis 1987 waren es 220 V) ist der Effektivwert. Man muß daher die Sinusfunktion mit 325 V multiplizieren, um die richtige Amplitude zu erhalten. Außerdem ist die Funktion sin(x) als Funktion des Winkels definiert, wobei ein Zyklus von 0 bis 2π (entsprechend 0 bis 360°) reicht. Die Netzspannung ist jedoch ein kontinuierlicher Prozeß, d.h. eine Aneinanderreihung vieler Zyklen, welche mit einer bestimmten Frequenz ablaufen. Man muß daher das Argument der Sinusfunktion so wählen, daß mit Ablauf der Zykluszeit gerade 2π erreicht sind. Als Funktion, die den Verlauf der Netzspannung beschreibt, erhält man daher:



Bei der Netzfrequenz 50 Hz ergibt sich eine Zykluszeit von 20 ms, d.h. alle 20 ms wiederholt sich ein Zyklus. Wenn man eine Spule direkt mit der Netzspannung verbindet, kann man den Stromverlauf berechnen, indem man das oben erwähnte Integral löst. Dazu muß man die Stammfunktion F(t) der Funktion f(t) = sin(2π . f . t) finden. Auf die nicht ganz so triviale mathematische Herleitung soll an dieser Stelle nicht eingegangen werden, sondern es sei auf entsprechende Schulbücher bzw. Formelsammlungen verwiesen. Hier das Ergebnis:


Wenn man diese Stammfunktion zur Lösung des Integrals in der o.g. Formel zur Berechnung des Stroms verwendet, erhält man:


Der Strom besitzt also einen invers cosinusförmigen Verlauf (invers wegen des Minuszeichens) und hat, wie auch nicht anders zu erwarten, die gleiche Frequenz wie die Spannung, die ihn hervorrief. Beim Zeitpunkt t=0 erreicht der Strom daher seinen negativsten Wert. Da der Cosinus gegenüber der sinusförmigen Spannung eine Phasenverschiebung von 90° besitzt, ist der Strom durch die Spule gegenüber der Spulenspannung ebenfalls um 90° phasenverschoben. Der Spulenstrom folgt der Spannung nach. In Bild 8 sind Spannungs- und Stromverlauf aufskizziert:


Bild 8: Spannungs- und Stromverlauf bei Sinusspannung

Wenn man bei konstanter Spannungsamplitude die Frequenz erhöht, nimmt die Änderungsgeschwindigkeit der Spannung zu, weil weniger Zeit für einen Zyklus zur Verfügung steht. Da eine Induktivität bei gegebener Spannung nur eine bestimmte Stromänderungsgeschwindigkeit zuläßt, kann sich in kürzerer Zeit der Spulenstrom weniger ändern als bei kleiner Frequenz. Dadurch sinkt der Strom mit zunehmender Frequenz. An obiger Formel sieht man das daran, daß die Frequenz im Ausdruck vor dem Cosinus im Nenner steht.


Leistungsaufnahme

Um es vorwegzunehmen: Wie oben dargestellt fließt bei angelegter Wechselspannung auch ein Strom durch die Induktivität, aber trotzdem nimmt sie keine Leistung auf. Ein Paradoxon? Nein! Natürlich gilt nach wie vor, daß sich die aufgenommene Leistung aus dem Produkt von Spannung und Strom berechnet. Bei einem passiven Bauteil, das Leistung aufnimmt, ist bei positiver Spannung auch der Strom positiv oder bei negativer Spannung der Strom negativ. Denn dann ist das Produkt aus Spannung und Strom und damit die aufgenommene Leistung (P = U * I) positiv. Dies ist bei der Induktivität nur in den pink hinterlegten Bereichen der Fall. In den grün hinterlegten Bereichen ist jedoch regelmäßig die Spannung positiv und der Strom negativ bzw. die Spannung negativ und der Strom positiv. Die aufgenommene Leistung ist dann negativ, d.h. die Spule nimmt keine Leistung auf sondern gibt Leistung ab. Sie wirkt in diesen Bereichen als Spannungsquelle und speist die in den pink hinterlegten Bereichen aufgenomene Leistung wieder zurück.


Bild 9: Leistungaufnahme und -abgabe einer Spule

Eine ideale Induktivität nimmt daher im zeitlichen Mittel keinerlei Leistung auf, obwohl permanent eine Wechselspannung anliegt und permanent auch ein Wechselstrom fließt. Dies ist keinesfalls mysteriös, denn die Induktivität nimmt zyklisch Leistung auf (Umwandlung elektrischer Energie in ein magnetisches Feld) und gibt sie lediglich später wieder ab (Umwandlung der magnetischen Feldenergie in elektrische Energie). Die Umwandlung von elektrischer Energie in magnetische Feldenergie und umgekehrt geschieht dabei absolut verlustlos.

In der Realität besitzt die Wicklung einer Induktivität natürlich einen ohmschen Widerstand, d.h. eine reale Induktivität kann man sich als Reihenschaltung einer idealen Induktivität und einem kleinen ohmschen Widerstand vorstellen. Der fließende Strom verursacht an diesem Widerstand einen Spannungsabfall, der in Phase zum Strom ist. Damit tritt an ihm eine Wirkleistung auf, wodurch er sich erwärmt. Aus diesem Grund nimmt eine reale Spule eine (kleine) Wirkleistung auf. Hinzu kommt der Widerstand von ggf. sehr langen oder dünnen Leitungen, der zu einer zusätzlichen Leistungsaufnahme führt.
  

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Letztes Update dieser Seite: 01.10.2023 (Untergeordnete Seiten können aktueller sein)